Das Bild zeigt den Ultraschall einer Niere

Harninkontinenz

Liebe Betroffene, liebe Angehörige,

obwohl sehr viele Menschen unter einer Harninkontinenz leiden, ertragen viele Betroffene ihr Leiden still und unbehandelt. Aus Scham und mangelnder Information gehen nur wenige zum Arzt und holen sich medizinische Hilfe. Gegen Blasenschwäche kann man etwas tun. Inkontinenz ist kein Schicksal das man ertragen muss und keine normale Begleiterscheinung des Älterwerdens, sondern eine Erkrankung wie viele andere auch. Kein Betroffener muss sich dafür schämen. Inkontinenz kann unterschiedlichste Ursachen haben. Oft ist aber die Lösung des Problems viel einfacher, als die Betroffenen denken.

Nachfolgend haben wir Ihnen wichtige Informationen zum Thema Harninkontinenz zusammengestellt.

Fragen und um die Harninkontinenz

Harninkontinenz bedeutet, daß Urin unwillkürlich und unkontrolliert aus der Blase abgeht. Zum einen kann die Harnblase in ihrer Entleerungsfunktion oder in ihrer Speicherfunktion gestört sein. Zum anderen kann eine Minderfunktion des Verschlussmechanismus der Harnblase (Schließmuskel, Beckenbodenmuskulatur) vorliegen.

Eine andere Ursache kann eine vergrößerte Prostata sein.

Daneben gibt es auch noch Erkrankungen des Nervensystems, welche zu einer Blasenentleerungsstörung führen können.

Von einer Harninkontinenz sind in Deutschland etwa 6 Millionen Frauen und Männer aller Altersgruppen betroffen. Viele Betroffene schämen sich, „nass“ zu sein und trauen sich nicht, mit diesem Problem zum Arzt zu gehen und um Rat zu fragen. Auf Dauer kann dies die Lebensqualität stark mindern und zum sozialen Rückzug der Erkrankten führen.

Es ist wichtig, bei einer Harninkontinenz einen Arzt, am besten einen Urologen aufzusuchen. Denn für die verschiedenen Formen der Harninkontinenz gibt es unterschiedliche Therapiemöglichkeiten, die die Harninkontinenz beheben oder deutlich verringern können.

Es werden die Belastungsinkontinenz (Stressinkontinenz), die Dranginkontinenz (Urgeinkontinenz), die gemischte Inkontinenz, die Überlaufinkontinenz und die sehr seltene vollständige Inkontinenz unterschieden.

Eine Belastungsinkontinenz liegt vor, wenn Urin beim Husten, Lachen, Treppensteigen, Rennen oder bei Lageveränderung verloren wird. Die Belastungsinkontinenz ist die häufigste Form der Harninkontinenz.

Von Dranginkontinenz spricht man, wenn der Urin bei starkem Harndrang nicht mehr zurückgehalten werden kann und unwillentlich abgeht, bevor eine Toilette erreicht wird.

Die Belastungs- und die Dranginkontinenz können auch kombiniert, als so genannte Mischform der Harninkontinenz vorkommen.

Eine Überlaufinkontinenz liegt vor, wenn die Blase so voll ist, dass sie die vorhandene Urinmenge nicht mehr halten kann, weil ihre Kapazität erschöpft ist. „Das Fass“ kommt zum Überlaufen.

Eine seltene Form der Harninkontinenz ist die vollständige Inkontinenz, bei der der Urin ununterbrochen aus der Blase träufelt.

Bei der Belastungsinkontinenz liegt eine Schwäche des Blasenschließmuskels oder der Beckenbodenmuskulatur vor. Frauen sind am häufigsten von einer Belastungsinkontinenz betroffen. Oft ist sie Folge von Schwangerschaften und Geburten, die zu einer Beckenbodenschwäche geführt haben.

Auch hormonelle Veränderungen in der Menopause oder starkes Übergewicht können zu einer Belastungsinkontinenz führen. Daneben kann eine Belastungsinkontinenz auch Folge von Operationen (z.B. Gebärmutterentfernung, Prostataentfernung, Prostatahobelung) und Verletzungen im Beckenbereich sein.

Die Dranginkontinenz wird durch eine Überaktivität des Blasenmuskels hervorgerufen. Diese kann auftreten bei Erkrankungen des Nervensystems, als Begleiterscheinung einer Blasenentzündung, bei einer Prostatavergrößerung oder auch bei Tumoren in der Blase.

Bei der Überlaufinkontinenz liegt meist eine deutliche Prostatavergrößerung vor. Der Blasenauslass wird durch die Prostata eingeengt, die Harnblase wird nicht mehr vollständig entleert und so sammelt sich immer mehr „zurückgebliebener Urin“ an, der nach einiger Zeit die Harnblase zum Überlaufen bringt. Eine andere Ursache sind Erkrankungen des Nervensystems, welche das Blasenempfinden beeinflussen oder die Blasenmuskelfunktion verändern.

Bei der seltenen Form der vollständigen Inkontinenz sind Fisteln (unnatürliche Verbindungen von Blase und Enddarm, Blase und Scheide oder Harnröhre und Scheide) oder Verletzungen des Blasenschließmuskels die Ursache. Sie können nach Operationen im Beckenbereich und nach Bestrahlungen auftreten oder bei Kindern auch angeboren sein.

Zunächst ist ein ausführliches Gespräch über die Beschwerden, die Krankenvorgeschichte, Begleiterkrankungen und Voroperationen wichtig. Der Arzt wird sehr genaue Fragen zum Wasserlassen stellen.

Die Patienten werden gebeten, ein Miktionsprotokoll zu führen. Dies bedeutet aufzuschreiben, wann und wie viel getrunken wurde, wann normal Wasser gelassen wurde und welche Menge, wann es zu unwillkürlichem Urinverlust kam, wie viele Vorlagen verwendet wurden und ob diese feucht oder nass waren.

  • Es folgt die körperliche Untersuchung.
  • Es wird eine Ultraschalluntersuchung der Nieren, Harnblase und der Prostata durchgeführt. Zusätzlich wird der Restharn nach dem Wasserlassen im Ultraschall gemessen.
  • Eventuell sind spezielle Röntgenaufnahmen (Cystogramm, Ausscheidungsurogramm, Computertomographie, MRT) notwendig.
  • Zusätzlich wird eine Harnstrahlmessung durchgeführt, bei der der Patient durch einen Trichter mit Lichtschranke Wasser lässt, wobei in einem Diagramm die gelassene Harnmenge pro Sekunde aufgezeichnet wird. Anhand des Kurvenverlaufs können auf die Art der Blasenentleerungsstörung Rückschlüsse gezogen werden.
  • Wichtig ist die mikroskopische und mikrobiologische Urinuntersuchung.
  • Außerdem wird eine Blutentnahme durchgeführt.
     

Zur ausführlicheren Diagnostik gehören die Blasenspiegelung und die Blasendruckmessung. Bei der Blasenspiegelung wird unter lokaler Betäubung eine Optik durch die Harnröhre in die Blase eingeführt und die Harnröhre und Blase von Innen beurteilt. Bei der Blasendruckmessung wird mit Hilfe von Messkathetern in der Harnröhre und im Enddarm der Blaseninnendruck während der Blasenfüllung und beim Wasserlassen gemessen. Gleichzeitig werden Röntgenbilder der Harnblase angefertigt. Hierbei kann auch der Verschlussdruck des Blasenschließmuskels gemessen werden.

All diese Untersuchungen können ambulant durchgeführt werden. Sie sind wichtig, um die Form und das Ausmaß der vorliegenden Harninkontinenz herauszufinden, um dann eine Therapie einzuleiten.

Es werden konservative und operative Therapiemöglichkeiten unterschieden.

Zu den konservativen Therapien gehören die Krankengymnastik mit Beckenbodengymnastik und Biofeedbacktraining, die Elektrostimulation des Beckenbodens, der Einsatz von Pessaren oder Kathetern und verschiedene Medikamente. Ein „Toilettentraining“ kann unter Umständen bei beiden Formen der Inkontinenz hilfreich sein.

Bei der Stressinkontinenz sollten zunächst grundsätzlich alle konservativen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft werden, bevor an eine Operation gedacht wird. Hier können Beckenbodengymnastik, Biofeedbacktraining und die Elektrostimulation des Beckenbodens hilfreich sein. Durch den Einsatz von Pessaren bei einem Blasen- oder Scheidenvorfall der Frau kann eine Stressinkontinenz gebessert werden. Zur Stärkung des Harnröhrenschließmuskels gibt es das Medikament Yentreve® (Duloxetin), welches erfolgreich zur Behandlung der Stressinkontinenz eingesetzt wird. Bei Männern ist es allerdings für diese Erkrankung derzeit noch nicht zugelassen und wird daher „off label“ eingesetzt.

Blasenkatheter und Urinalkondome sind bei ausgeprägter Stressinkontinenz eine Alternative zur operativen Therapie. Wegen des Infektionsrisikos sollte ihr Einsatz jedoch sehr gut überdacht werden.

Die Behandlung der Dranginkontinenz ist eine Domäne der medikamentösen Therapie. Es werden so genannte Anticholinergika erfolgreich eingesetzt. Bei Männern, die an den Folgen einer vergrößerten Prostata leiden, kann die Gruppe der a-Blocker die Dranginkontinenz bessern.

Die operativen Therapiemöglichkeiten bei der Stressinkontinenz umfassen „Bandplastiken“ (TVT, TOT), Blasenhebungsoperationen (z.B. die Kolposuspension nach Burch), die Implantation eines künstlichen Schließmuskels (artifizieller Sphinkter) oder die Prostatahobelung bzw. Prostataentfernung über einen Bauchschnitt bei vergrößerter Vorsteherdrüse.

Bei einer Dranginkontinenz, welche durch Medikamenteneinnahme nicht zu beherrschen ist, kann als ultima ratio in den Blasenmuskel Botulinum Toxin A eingespritzt werden. Dies erfolgt im Rahmen einer Blasenspiegelung in Narkose. Das Toxin „stellt den überaktiven Blasenmuskel ruhig“.

Bei Vorliegen einer Harninkontinenz im Rahmen einer neurologischen Erkrankung, wie z.B. einer Querschnittslähmung, nach einem Schlaganfall, bei Morbus Parkinson oder bei Multipler Sklerose, muss sehr individuell eine Therapiekonzept, welches oft eine Mischung der unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten darstellt, erarbeitet werden.

In unserer Klinik findet einmal wöchentlich eine spezielle Inkontinenzsprechstunde statt. Einen Termin können Sie über die Seite Anmeldung & Kontakt  vereinbaren.

In der Urologischen Klinik werden alle Untersuchungen zur Diagnostik der Harninkontinenz durchgeführt. Gemeinsam mit dem Patienten werden anschließend die möglichen Therapieformen besprochen. Neben den konservativen Therapien, werden auch alle operativen Verfahren in unserer Klinik durchgeführt.

Informationen von Selbsthilfegruppen finden Sie unter: