Presse

Pressegespräch Corona-Pandemie

Lageeinschätzung vom 22. Oktober

Interviewpartner

  • Prof. Dr. med. Franz Kehl, Direktor der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin
  • Elvira Schneider, Pflegedirektorin

 

Themenschwerpunkte

  • Einschätzung zur Lage bundesweit
  • Einschätzung zur Lage in Baden-Württemberg und der Region
  • Aktuelle Situation im Klinikum Karlsruhe

 

Einschätzung zur Lage bundesweit

Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz ist in den vergangenen Tagen laut Robert-Koch-Institut (RKI) wieder gestiegen. Hohe Inzidenzen wurden in den Altersgruppen der 5- bis 24-Jährigen sowie der 35- bis 44-Jährigen beobachtet. Das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs mit Krankenhauseinweisung sei im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen bei Älteren weiterhin am höchsten. In den kommenden Wochen und Monaten ist laut RKI mit einem beschleunigten Anstieg der Fallzahlen zu rechnen und es besteht eine relevante Wahrscheinlichkeit für infektiöse Kontakte.

Das Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch ein. Für vollständig Geimpfte wird weiterhin von einer moderaten Gefährdung ausgegangen. Zum 19.10.2021 haben laut RKI 69 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung gegen COVID-19 bekommen. 66 Prozent wurden vollständig gegen COVID-19 geimpft.


Einschätzung der Lage in Baden-Württemberg und der Region

Die Anzahl der Neuinfektionen und die 7-Tage-Inzidenz verbleiben laut Lagebericht des Landesgesundheitsamts (LGA) auf hohem Niveau. Der Anteil der Infizierten über 60 Jahre an allen Fällen innerhalb der vergangenen 7 Tage ist demnach auf 14 Prozent gestiegen, gleichzeitig sank der Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen (0 - 19 Jahre) auf 29. Der Anteil an COVID-19-Fällen in intensivmedizinischer Behandlung an der Gesamtzahl der betreibbaren Intensivbetten ist laut Resource-Bord Baden-Württemberg auf 14,7 Prozent gestiegen. Absolut gesehen werden inzwischen 226 COVID-19-Fälle auf den Intensivstationen in Baden-Württemberg behandelt. Die 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz im Land hat sich merklich auf 3,4 erhöht und damit in einer Woche verdoppelt.

Auch in der Stadt und der Region Karlsruhe steigt die 7-Tage-Inzidenz wieder zügig. Das Infektionsgeschehen stellt sich laut Verwaltungsstab der Stadt Karlsruhe weiter als diffus dar. Es ist demnach ein Schwerpunkt im Schul- und Kitabereich zu beobachten, in Stadt- und Landkreis Karlsruhe waren Stand 20.10. insgesamt 35 Kindergärten und 82 Schulen betroffen. Weiterhin werde ein relevanter Teil der Infektionsketten im familiären Umfeld beobachtet. Vereinzelt komme es zu Infektionen oder kleineren Ausbrüchen in Pflegeheimen, die aber aufgrund der hohen Impfquote mit milden Verläufen einhergingen.

Die Lage in den Kliniken im Stadt- und Landkreis Karlsruhe ist laut Verwaltungsstab aufgrund der stark begrenzten Personalressourcen sehr kritisch.

Stand gestern Abend lag der Inzidenzwert für Karlsruhe Stadt bei 121,6 und im Landkreis bei 154,6 (https://corona.karlsruhe.de/aktuelle-fallzahlen).

Aktuelle Situation im Städtischen Klinikum Karlsruhe

Derzeit befindet sich das Klinikum in Pandemiestufe 2.

Wir beobachten, dass viele COVID-19-Erkrankte erst spät zur Behandlung ins Krankenhaus kommen.

Die aktuell behandelten Intensivpatienten sind nahezu alle entweder nicht vollständig geimpft oder verfügen über einen schlechten Immunstatus, der die Impfung nicht wirken lässt. Das Alter der derzeit intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patient*innen liegt zwischen 53 und 80 Jahren.

Auf den Normalstationen bzw. der Kinderintensivstation werden COVID-Patient*innen im Alter von 0 und 95 Jahren betreut, wovon die vollständig geimpften Personen mindestens 78 Jahre alt sind.

Die derzeitige Mortalitätsrate ist mit ca. 38 Prozent im Vergleich zur ersten und zweiten Infektionswelle (rund 26 bzw. rund 11 Prozent) deutlich höher und wir beobachten mehr Todesfälle bei jüngeren Patient*innen. Weil die Kapazität im Intensivbereich durch den Mangel an Intensivpersonal inzwischen eingeschränkt ist (rund 35 Prozent der Betten sind gesperrt), wird die maximale Auslastung des Klinikums im Vergleich zu vorangegangenen Wellen deutlich früher erreicht. Dies wird auch zu frühzeitigen Verlegungen von Patient*innen innerhalb des Clusters führen.

Wir versuchen in Kooperation mit den umliegenden Krankenhäusern, Corona-positive Patient*innen mit Mehrfacherkrankungen in andere Häuser zu verlegen, um auf der Intensivstation die Kapazitäten für Notfälle wie Herzinfarkt- oder Schlaganfallpatient*innen aufrechtzuerhalten.

Den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die sogenannte "epidemische Lage nationaler Tragweite" nicht mehr über den November hinaus zu verlängern, könnte aus Sicht des Klinikums Karlsruhe dazu führen, dass in der Bevölkerung die Ansicht entstehen könnte, dass die Corona-Pandemie vorbei sei. Aktuell werden mit steigender Tendenz Patientinnen und Patienten mit COVID-19 behandelt und die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist unverändert hoch.

Da die Menschen in der kalten Jahreszeit wieder vermehrt in Innenräumen aufeinandertreffen und somit das Ansteckungsrisiko steigt, sollte auf keinen Fall nachgelassen werden, alles zu tun, um die Ansteckungsgefahr zu verringern: Impfen derjenigen, die noch nicht geimpft sind, und Beibehaltung der persönlichen Schutzmaßnahmen, Abstand und Maskentragen in geschlossenen Räumen. Dies halten wir mit Blick auf die Regelungen zur Masken- und Testpflicht sowie zu Besuchsregelungen in Kliniken für angebracht. Deshalb sollte zumindest das Land Baden-Württemberg an seinem Kurs festhalten und die Corona-Verordnungen dynamisch an die aktuelle Lage anpassen.
 

Aktuelle Personalsituation

Derzeit sind 4 Mitarbeitende im Klinikum Karlsruhe positiv auf SARS-CoV-2 getestet.

Im Bereich des Pflege- und Funktionsdienstes fallen aktuell 175 Mitarbeitende durch Krankheit, Quarantäne oder Beschäftigungsverbot aus. Davon befinden sich 28 Mitarbeitende in Quarantäne oder im Beschäftigungsverbot.

Das Bild zeigt ein Portrait von Oliver Stilz
Autor: Oliver Stilz